Georg-Speyer-Haus. Foto: Andreas Reeg, andreasreeg.com
Georg-Speyer-Haus. Foto: Andreas Reeg, andreasreeg.com
Forschen für das Leben

Erstmaliger Einsatz zielgerichteter natürlicher Killerzellen bei Patientinnen und Patienten mit bösartigem Hirntumor

3 Min

| Frankfurt am Main, 13.08.2023 – I

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am LOEWE-Zentrum Frankfurt Cancer Institute (FCI) und Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), Partnerstandort Frankfurt/Mainz, untersuchen im Rahmen einer klinischen Phase-I-Studie eine neuartige Immuntherapie mit gentechnisch modifizierten natürlichen Killerzellen bei Patientinnen und Patienten, die beim Glioblastom – einem sehr aggressiven und bisher unheilbaren Hirntumor – einen Rückfall erlitten haben.

Die natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) tragen einen sogenannten chimären Antigenrezeptor (CAR). Dieser Rezeptor wurde gentechnisch so verändert, dass er das Tumorantigen HER2 (ErbB2) als Zielstruktur erkennt und nach spezifischer Aktivierung der NK-Zellen gezielt den Zelltod HER2-positiver Tumorzellen einleitet, normale Zellen im Gehirn dagegen verschont. Ein Forschungsteam am Georg-Speyer-Haus und dem Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie des DRK-Blutspendedienstes in Frankfurt am Main hat diese CAR-NK-Zellen entwickelt und gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen vom Dr. Senckenbergischen Institut für Neuroonkologie und dem Neurologischen Institut (Edinger Institut) in präklinischen Modellen des Glioblastoms funktionell analysiert und charakterisiert.

„In der CAR2BRAIN-Studie werden CAR-NK-Zellen für die zielgerichtete Therapie von Patientinnen und Patienten untersucht, die unter einem bösartigen Hirntumor leiden. Gerade bei solchen Erkrankungen sind neue Erkenntnisse so wichtig, weil sich ihre Behandlung häufig schwierig gestaltet“, betont Prof. Dr. Winfried Wels vom Georg-Speyer Haus.

Das interdisziplinäre Studien-Team am Hirntumorzentrum des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen (UCT) am Universitätsklinikum Frankfurt berichtet hier vom weltweit erstmaligen klinischen Einsatz dieser genmodifizierten NK-Zellen bei neun Patientinnen und Patienten, bei denen zuvor ein Glioblastom-Rezidiv aufgetreten war.

Dabei wurden CAR-NK-Zellen nach der Rezidiv-Operation von den Ärztinnen und Ärzten der Klinik für Neurochirurgie direkt in den Randbereich der Operationshöhle eingebracht. Dort sollen sie an den HER2-Rezeptor von im Gewebe verbliebenen Glioblastomzellen binden, diese abtöten und zusätzlich das patienteneigene Immunsystem aktivieren.

Im ersten Teil der klinischen Studie erwies sich dieser Ansatz als sicher und gut durchführbar. Es wurden bis zu 100 Millionen dieser spezifischen CAR-NK-Zellen injiziert, ohne dass schwerwiegende Nebenwirkungen auftraten. Aus den im Rahmen der Studie durchgeführten Untersuchungen ergaben sich auch Hinweise auf eine lokale Immunaktivierung nach Injektion der CAR-NK-Zellen. Analysen an entnommenem Tumorgewebe, durchgeführt am Edinger Institut und der Immunmonitoring-Plattform des FCI, zeigten zudem, dass eine hohe Zahl zytotoxischer Immunzellen, sogenannter CD8-T-Zellen, mit einem besseren Krankheitsverlauf korrelierte.

In einem weiterführenden Teil der CAR2BRAIN-Studie untersucht das Studien-Team derzeit Sicherheit und Wirksamkeit wiederholter lokaler Injektionen von CAR-NK-Zellen in Kombination mit einem systemisch verabreichten Immunaktivator, einem sogenannten Immun-Checkpoint-Inhibitor. Dadurch soll eine optimale Aktivierung des patienteneigenen Immunsystems erreicht werden, welche die direkte Wirkung der CAR-NK-Zellen unterstützt.

Diese Studie ist ein wichtiger Schritt für die Entwicklung zellulärer Immuntherapien zur Behandlung solider Tumoren. „Die im translationalen Teil der Studie mit Unterstützung durch das DKTK, das FCI und die Translatorik-Förderlinie der Else Kröner-Fresenius-Stiftung gewonnenen Erkenntnisse sollen für die weitere Verbesserung dieses Ansatzes und die Entwicklung maßgeschneiderter Immuntherapien genutzt werden“, fasst Privatdozent Dr. Michael Burger, Leiter der klinischen Studie, zusammen.

Die erfolgreiche Überführung einer innerhalb des FCI entwickelten zellulären Gentherapie als Advanced Therapy Medicinal Product (ATMP) bis hin zu ihrer Anwendung im Rahmen klinischer Studien verdeutlicht zudem die Leistungsfähigkeit akademischer Einrichtungen und der Universitätsmedizin am Standort Frankfurt am Main bei der Entwicklung fortgeschrittener und personalisierter Arzneimittel.

 

Publikation:

Burger, M.C., Forster, M-T., Romanski, A., Straßheimer, F., Macas, J., Zeiner, P.S., Steidl, E., Herkt, S., Weber, K.J., Schupp, J., Lun, J.H., Strecker, M.I., Wlotzka, K., Cakmak, P., Opitz, C., George, R., Mildenberger, I.C., Nowakowska, P., Zhang, C., Röder, J., Müller, E., Ihrig, K., Langen, K.-J., Rieger, M.A., Herrmann, E., Bönig, H., Harter, P.N., Reiss, Y., Hattingen, E., Rödel, F., Plate, K.H., Tonn, T., Senft, C., Steinbach, J.P., Wels, W.S.; Intracranial injection of natural killer cells engineered with a HER2-targeted chimeric antigen receptor in patients with recurrent glioblastoma; Neuro-Oncology, May 06, 2023 (Online ahead of print)

https://doi.org/10.1093/neuonc/noad087

 

Bildmaterial:
(1) Herstellung tumorspezifischer CAR-NK-Zellen in den Reinräumen des DRK-Blutspendedienstes in Frankfurt. Die Zellen werden nach Prüfung der Freigabekriterien in das Universitätsklinikum gebracht und dort während der Operation eines Glioblastom-Rezidivs in den Randbereich der Resektionshöhle injiziert (Copyright: Prof. T. Tonn, DRK-Blutspendedienst)
(2) Lokale Injektion von CAR-NK-Zellen. Während der Operation eines Glioblastom-Rezidivs werden Patientinnen und Patienten durch direkte Injektion von tumorspezifischen CAR-NK-Zellen in den Randbereich der Resektionshöhle behandelt (Copyright: Prof. C. Senft, Universitätsklinikum Frankfurt).

 

Download unter: www.kgu.de/pressefotos
Der Abdruck der Fotos ist kostenfrei.

 

 

Für weitere Informationen:
PD Dr. Michael Burger
Dr. Senckenbergisches Institut für Neuroonkologie
Universitätsklinikum Frankfurt
Telefon: +49 69 63 01 – 87 71 1
E-Mail: michael.burger@kgu.de
Internet: www.kgu.de