Molekularer Verbindungsmechanismus chronischer Entzündung und Krebsentstehung entschlüsselt

12.12.2017

Gesteigerte Produktion von Sauerstoffradikalen führt in Immunzellen zu einer vermehrten DNA-Schädigung in benachbarten Epithelzellen

Chronische Entzündungen induzieren die vermehrte Produktion von reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffradikalen (ROS und RNS) in verschiedenen Zellen. Seit langem geht man davon aus, dass diese Radikale durch direkte DNA-Schädigung und der Ausbildung von Mutationen Tumorwachstum initiieren und beschleunigen können. Andererseits gibt es allerdings auch Daten, die darauf deuten, dass ROS/RNS geschädigte Zellen vermehrt eliminiert werden (Apoptose), bzw. in einen Wachstumsarrest (Seneszenz) übergehen und damit Tumorwachstum eher unterdrücken.

In einer am 11. Dezember in Cancer Cell erschienenen Studie konnte die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Florian Greten erstmalsdemonstrieren, dass die gesteigerte Produktion von Sauerstoffradikalen in Immunzellen tatsächlich zu einer vermehrten DNA-Schädigung in benachbarten Epithelzellen führt. Die Gruppe generierte hierfür Mäuse, denen spezifisch in myeloiden Zellen (Makrophagen und neutrophile Granulozyten) Glutathionperoxidase 4 (GPX4) fehlt. Bei GPX4 handelt es sich um ein essentielles Eiweiß, das für den Abbau von Hydroperoxiden verantwortlich ist. Myeloid-spezifische Gpx4-Knockout Mäuse produzieren daher spontan vermehrt Sauerstoffradikale, die vergleichbar sind mit der Menge, die man sonst nur während einer akuten Entzündung findet. Auf diese Weise konnte das Forschungsteam die Langzeit-Effekte untersuchen, die durch eine anhaltende Produktion von Sauerstoffradikalen verursacht werden.

Es gelang der Nachweis, dass in der Tat von den GPX4-defizienten myeloiden Zellen freigesetztes Wasserstoffperoxid (H2O2) dafür verantwortlich war, dass in Epithelzellen weitere Sauerstoffradikale gebildet wurden, die letztendlich zum DNA Schaden führten. Weiterhin induzierte das von den myeloiden Zellen freigesetzte H2O2 in den Epithelzellen die Produktion von spezifischen Botenstoffen, was die Rekrutierung weiterer Makrophagen zur Folge hatte. In einem Modell der Karzinogen-induzierten Kolonkarzinogenese kam es daher zur Ausbildung von aggressiver wachsenden Tumoren und in unbehandelten Tieren führte die vermehrte H2OProduktion in knapp dreiviertel der untersuchten Tiere sogar zur Entwicklung von spontanen Tumoren, welche aber hauptsächlich in der Lunge zu finden waren.

“Erstaunlicherweise wurde seit Jahren gemeinhin angenommen, dass Sauerstoffradikale aus myeloiden Zellen für DNA Schaden in Epithelzellen verantwortlich sind, ohne dass dies jemals in einem genetischen in vivo Modell eindeutig belegt wurde. Unsere Arbeiten beweisen diesen Zusammenhang nun zum ersten Mal und zeigen wie bei chronische Entzündungen Mutationen entstehen können, um Tumorwachstum zu initiieren” so Prof. Dr. Greten, Leiter der Studie, welche durch das European Research Council und den SFB815 unterstützt wurde, und führt weiter aus: „Interessanterweise ist es das von den myeloiden Zellen produzierte H2O2 selber, das in benachbarten Zellen eine komplexe Signalkaskade initiiert und nicht wie lange vermutet andere Zytokine wie z.B. TNFa.“

Die Forschungsgruppe will dieses Wissen nun nutzen, um zu überprüfen, ob sich eine ROS-vermittelte gesteigerte Mutationsfrequenz gegebenenfalls auch therapeutisch im Kontext von immuntherapeutischen Ansätzen nutzen lässt.