Mit Killerzellen gegen Darmkrebs
Dabei setzen die Wissenschaftler:innen des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) am Georg-Speyer-Haus hier in Frankfurt am Main auf einen neuen Ansatz in der Krebsimmuntherapie, genmodifizierte natürliche Killerzellen. Mit den spezifischen Tumorkulturen von Patient:innen können Wissenschaftler:innen jetzt im Labor prüfen, wie gut diese bei einzelnen Patient:innen anschlagen.
Seit einigen Jahren setzen Onkolog:innen große Hoffnungen auf immuntherapeutische Ansätze mit gentechnisch veränderten Immunzellen, die Krebszellen spezifisch erkennen und zerstören. Beeindruckende Erfolge gab es bereits bei der Behandlung von B-Zell-Lymphomen und -Leukämien mit sogenannten CAR-T-Zellen, die einen gentechnisch veränderten Rezeptor tragen, der ein tumorspezifisches Angriffsziel erkennt. Diese chimären Antigenrezeptoren (CAR) sind auch für natürliche Killerzellen entwickelt worden. NK-Zellen gehören zum angeborenen Immunsystem, das der ersten Abwehr gegen eindringende Krankheitserreger und Krebszellen dient. Anders als T-Zellen werden NK-Zellen nicht den einzelnen Patient:innen individuell entnommen, aufgereinigt und wieder zugeführt, sondern können z. B. aus Spenderzellen gewonnen werden. Sie sind zudem universell einsetzbar und es gibt seltener Abstoßungsreaktionen.
Gegen solide Tumoren kamen die CAR-NK-Zellen bislang jedoch kaum zum Einsatz.
„Es fehlt an geeigneten Labormodellen, um systematisch zu testen, wie gut unterschiedliche CAR-NK-Zelllinien bei den einzelnen Patient:innen anschlagen und welche Nebenwirkungen sie haben könnten“, erläutert Dr. Henner Farin, Nachwuchsgruppenleiter des Deutschen Krebskonsortiums (DKTK) am Georg-Speyer-Haus.
Personalisierte Therapieansätze werden derzeit hauptsächlich an spezifischen Mausmodellen getestet, die Tumorgewebe von Patient:innen tragen. „Deren Herstellung ist jedoch zeit- und kostenintensiv und die Ergebnisse lassen sich nur bedingt auf den Menschen übertragen. Übliche Zellkulturen wiederum können die komplexe Gewebsstruktur von soliden Tumoren bisher nicht ausreichend nachbilden“, fasst Dr. Henner Farin einige der Herausforderungen für präklinische Tests zusammen.
In der aktuellen Studie stellten Dr. Farin und das Wissenschaftsteam dreidimensionale Tumorkulturen aus Gewebeproben von Dickdarmkrebspatienten her. Mit diesen Tumor-Organoiden und Organoiden aus gesunden Darmzellen wurden die Effektivität unterschiedlicher CAR-NK-Zelllinien zur Zerstörung von Darmkrebszellen getestet und welche Schäden möglicherweise auch bei gesunden Zellen angerichtet werden. Die Mini-Tumoren sind von den Wissenschaftler:innen gentechnisch derart verändert, dass die Krebszellen messbare Lichtsignale aussenden. Je mehr Krebszellen durch die Killerzellen abgetötet wurden, desto schwächer wurde das Lichtsignal. Mit dieser Methode konnten die Forscher:innen live unter dem Mikroskop verfolgen, wie effektiv und wie spezifisch die Abwehrzellen die Krebszellen eliminierten.
Richteten die Forscher:innen die Killerzellen gegen ein Oberflächenprotein, das sowohl in entarteten wie auch in gesunden Zellen vorkommt, wurden Tumor- und normale Organoide gleichermaßen angegriffen. Abwehrzellen, die gegen ein krebsspezifisches Rezeptorprotein gerichtet waren, zerstörten dagegen nur die Krebszellen und griffen keine gesunden Zellen an (Video). Auf diese Weise entdeckten die Wissenschaftler:innen auch, dass der bekannte Signalrezeptor FRIZZLED für die CAR-NK-Zell-Therapie ein weniger geeignetes Angriffsziel ist als ursprünglich angenommen. FRIZZLED wird in bestimmten Darmkrebstumoren in besonders großen Mengen produziert. Die Anti-FRIZZLED-Killerzellen schädigten jedoch auch die gesunden Organoide. Das ist eine nicht unwesentliche Erkenntnis für die Entwicklung von Therapien mit FRIZZLED als Angriffsziel.
Mit dem neuen System wollen die Forscher:innen die Entwicklung der personalisierten Krebsimmuntherapie entscheidend beschleunigen. „Die Organoide sind Tumor-Avatare der Patient:innen. Mit diesem neuen System können wir künftig abschätzen, wie sehr Patient:innen von unterschiedlichen CAR-NK-Zelllinien profitieren werden und ob mit starken Nebenwirkungen zu rechnen ist“, kommentiert Dr. Henner Farin. Tumor-Organoide lassen sich mittlerweile auch aus Gewebeproben von Lungen-, Brustkrebs und anderen soliden Tumoren im Labor herstellen. Das von den GSH Forscher:innen entwickelte Screening-Verfahren kann daher künftig genutzt werden, um die Wirksamkeit genmodifizierter Killerzellen auch bei anderen Tumorarten zu erforschen.
Ein vom Grundprinzip her den CAR-NK-Zelllinien ähnlicher Ansatz wird im übrigen gegenwärtig im Rahmen der Förderinitiative „UniCAR NK Cells“ des DKTK für den klinischen Einsatz bei schwarzem Hautkrebs entwickelt.
Im DKTK verbindet sich das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg als Kernzentrum langfristig mit onkologisch besonders ausgewiesenen universitären Partnerstandorten in Deutschland. An derzeit acht Standorten kooperieren Forscher:innen und ärztliches Fachpersonal aus über 20 Institutionen und Universitätskliniken, um erfolgversprechende Ansätze der Krebsforschung schneller in die klinische Praxis zu bringen.