Ein überraschender Wandel vom Feind zum Freund
Forscherinnen und Forscher des Georg-Speyer-Hauses in Frankfurt am Main haben eine überraschende Wendung in der Frage aufgedeckt, wie Entzündungen Darmkrebs beeinflussen. In einer Studie, die in der Zeitschrift Immunity (DOI: 10.1016/j.immuni.2025.02.005) veröffentlicht wurde, fand das Team heraus, dass ein Protein namens IL-17RA - ein Rezeptor für Entzündungssignale, der dafür bekannt ist, das Tumorwachstum im Frühstadium anzukurbeln - bei fortgeschrittenem Darmkrebs die Rolle wechselt und als wichtiger Abwehrmechanismus fungiert, um die Ausbreitung des Tumors zu verhindern und die Immunität zu stärken.
Darmkrebs ist nach wie vor eine der Hauptursachen für krebsbedingte Todesfälle, insbesondere in fortgeschrittenen Stadien. In den letzten Jahren hat die Häufigkeit von Darmkrebs bei jungen Erwachsenen alarmierend zugenommen. Obwohl zahlreiche Forschungsergebnisse die Behandlungsergebnisse verbessert haben, sprechen viele Patientinnen und Patienten immer noch nicht auf neue therapeutische Ansätze wie die Immuntherapie an. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das entzündliche Tumormikromilieu (TME), d. h. der Bereich innerhalb und um den Tumor, der auch Stroma und Immunzellen enthält, und das Mikrobiom (alle lokalen Mikroben wie Bakterien, Pilze, Viren und ihre Gene) der Schlüssel zum besseren Verständnis der Heterogenität von Krebs und zur Entwicklung neuer Therapien sein könnten.
Unter der Leitung von Prof. Florian Greten entdeckte das Forschungsteam, dass IL-17RA bei CRC eine „Jekyll and Hyde“-Wirkung hat. Im Frühstadium der Krankheit fördert IL-17RA das Tumorwachstum, was mit früheren klinischen Daten übereinstimmt. In späteren Stadien des Darmkrebses wirkt IL-17RA jedoch schützend und verbessert die Überlebensrate. Diese Verschiebung erfolgt durch zwei Schlüsselmechanismen im TME: IL-17RA hindert Krebszellen daran, EGFR, einen Wachstumsfaktorrezeptor, der für invasives Wachstum und Metastasierung wichtig ist, erneut zu exprimieren. Gleichzeitig ist die Expression von IL-17RA erforderlich, um das Immunsystem als Reaktion auf Pilze im Darm zu aktivieren, wodurch Immunreaktionen ausgelöst werden, die krebsbekämpfende T-Zellen aktivieren. Diese Ergebnisse unterstreichen die stadienabhängige Bedeutung von IL-17RA sowohl in Tumorzellen als auch im Immunsystem, um das Fortschreiten des Krebswachstums zu begrenzen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen stimulierten die Forschenden die Pilz-IL-17RA-Achse, um Darmtumore für eine Immuntherapie zu sensibilisieren.
“Unsere Studie unterstreicht das komplexe Zusammenspiel zwischen dem Tumor, dem Immunsystem und dem Mikrobiom“, erklärt Dr. Dominic Denk, Arzt am Universitätsklinikum Frankfurt, Fellow im Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum Frankfurt und Erstautor der Studie. “Indem wir entschlüsseln, wie IL-17RA seine Rolle von der Tumorförderung zur Tumorunterdrückung umkehrt, zeigen wir das Potenzial für zukünftige Kombinationstherapien für fortgeschrittenen Darmkrebs auf.”
Prof. Greten, Direktor des Georg-Speyer-Hauses und Sprecher des LOEWE-Zentrums Frankfurt Cancer Institute, hebt den größeren Zusammenhang hervor: „Unsere Daten zeigen einen unerwarteten Beitrag der IL-17RA-Signalübertragung bei der Ausbreitung des Tumors und andererseits eine zentrale Rolle bei der Erkennung von Pilzen, was auf die breite Wirkung unserer Ergebnisse hinweist, die eindeutig über Darmkrebs hinausgeht.”
Diese Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass die Steigerung der IL17-Signalübertragung Potenzial für eine klinische Anwendung zur Verbesserung der Anti-Tumor-Immunität bei invasiven Tumoren hat.
Link zur Publikation:
DOI: 10.1016/j.immuni.2025.02.005
Kontakt
Prof. Dr. Florian R. Greten
Georg-Speyer-Haus Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie
Paul-Ehrlich-Str. 42-44
60596 Frankfurt am Main
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